Die Bibel, der Christ und das Sprachenreden


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Die Bibel, der Christ und das Sprachenreden

Das griechische Wort „glossa“ kann die Zunge als Organ oder eine (Fremd-)Sprache bezeichnen (vgl. franz. „langue“ / ital. „lingua“). Selbst im Deutschen kann der Begriff „Zunge“ auch für eine „Fremdsprache“ benutzt werden (z.B. „Menschen fremder Zunge“). Das biblische „en glossais lalein“ bedeutet „in (Fremd-)Sprachen reden“. So wurde der seit Luther  gebräuchliche  Begriff  „Zungenrede“ verstanden. Es geht um die Gabe Gottes, in einer anderen Sprache sprechen zu können, ohne diese erlernt zu haben. Der Verständlichkeit halber spricht man heute besser vom „Sprachenreden“, denn es geht nicht um unkontrollierte Zungenakrobatik.

Diese Lehre kam erst in der Neuzeit auf. Ab dem 20. Jh. wurde sie zu einem Schwerpunkt der pfingstlich-charismatischen Bewegung. Es geht ihr nicht um reale Sprachen, sondern um Gebete und Botschaften in Form von unartikulierten Lauten. Ähnliche Phänomene sind vom Spiritismus und Schamanismus bekannt. Laut offizieller Lehre, die nicht von allen Pfingstlern geteilt wird, ist das Zungenreden der Erweis für die Taufe mit dem Heiligen Geist. Interessant ist, dass die Bibelschüler rund um Charles Fox Parham, die am Anfang der modernen Pfingstbewegung stehen, nach der Neujahrsnacht 1901, in der sie um die Gabe des Zungenredens gebetet hatten, davon ausgingen, sie würden in Fremdsprachen reden. Ihre Euphorie wurde auf dem Missionsfeld gedämpft, als sie nirgends verstanden wurden. Darauf deuteten sie den Begriff um.

Was sagt die Schrift? Die Verheissung Jesu - Mk 16,17: Sie werden in neuen Sprachen reden. - erfüllte sich an Pfingsten: Und sie wurden alle mit Heiligem Geist erfüllt und fingen an in anderen Sprachen zu reden. Die Jünger wurden von den Fremdsprachigen verstanden. Ähnliches wiederholt sich in Apg 10 und 19 unter den Heiden (vgl. Apg 11,17: … die gleiche Gabe wie auch uns … = wie an Pfingsten). Ausführlich wird das Thema von Paulus in 1Kor 12-14 behandelt, wo er über die Vielfalt der Geistesgaben spricht und gleichzeitig vor Missbrauch warnt. In Kap. 14 werden das Sprachenreden und die Weissagung exemplarisch ausgewählt, um zu zeigen, dass die Verständlichkeit oberste Priorität hat, weil das Sprachenreden nicht nur der eigenen Erbauung, sondern der Gemeinde dienen soll (1Kor 14,11-12): Wenn ich nun die Bedeutung der Stimme nicht weiss, so werde ich dem Redenden ein Barbar sein, und der Redende für mich ein Barbar. Also auch ihr, da ihr um geistliche Wirkungen eifert, so sucht, dass ihr überströmend seid zur Erbauung der Gemeinde. Ist kein Fremdsprachiger anwesend, ist das Sprachenreden unnütz, weil nur der Redner erbaut wird. Sind Fremdsprachige anwesend, so soll übersetzt werden (V. 13).

Zudem weist Paulus darauf hin, dass die Gabe des Sprachenredens – was die Kirchengeschichte bestätigt hat – wieder verschwinden wird (1Kor 13,8): Seien es Sprachen, sie werden abklingen. Das Sprachenreden diente als Zeichen für die Juden, dass ein neues Zeitalter der Weltmission angebrochen ist, in dem Gott in vielen Sprachen zu vielen Völkern spricht. Seither braucht Gott diese Gabe, die er damals ohnehin nur Einzelnen zuteilwerden liess, nicht mehr. Sie ist für einen Christen also kein Muss.